Stadtrat Radeberg
Beschluß 1/08 vom 30.01.2008 (Beschlußvorlage 1/08)
Betreff
ENSO-Fusion
Beschlußtext
- Der Bürgermeister wird ermächtigt, in der Gesellschafterversammlung der KBO und in der Verbandsversammlung des Zweckverbandes Energie Ostsachsen der Verschmelzung der ENSO Energie Sachsen Ost GmbH und der ENSO Erdgas GmbH auf die ENSO Strom AG, künftig firmierend als Energie Ost AG, zuzustimmen.
- Der Abschluss eines Wertpapierleihvertrages zwischen dem Zweckverband Energie Ostsachsen und der Kommunale Beteiligungsgesellschaft an der Energieversorgung Sachsen Ost mbH wird gebilligt.
Begründung
- Die ENSO Fusion (Beschluss 1)
- Ziel
Die Stadt Radeberg ist Gesellschafterin mit einer Beteiligung in Höhe von 3,6819 % des Stammkapitals der Kommunale Beteiligungsgesellschaft an der Energieversorgung Sachsen Ost mbH (KBO) und Mitglied des Zweckverbands Energie Ostsachsen.
Die KBO ihrerseits ist mit 16,983%, der Zweckverband ist mit 18,1816% am Stammkapital der Energie Sachsen Ost GmbH beteiligt. Mitgesellschafter der Energie Sachsen Ost GmbH ist die GESO Beteiligungs- und Beratungs-AG - das Stadtratsbeschlussvorlage Doppelmitgliedschaft (Stand: 11. Dezember 2007) ist die sächsische Beteiligungsgesellschaft der EnBW Energie Baden-Württemberg AG - mit einer Beteiligungsquote von 64,8354%. Die Energie Sachsen Ost GmbH fungiert als sog. Holding-Gesellschaft, über die der ENSO Konzern gesteuert wird. Diese Holding hält die Mehrheit der Aktien an der ENSO Strom AG und sämtliche Geschäftsanteile der ENSO Erdgas GmbH. Unter diesen Gesellschaften wiederum "hängen" aufgrund energierechtlicher Vorgaben die ENSO Strom Netz GmbH und die ENSO Gas Netz GmbH, jeweils als 100%-ige Tochtergesellschaften. Mitaktionär der ENSO Strom AG sind mit einer Minderheitsbeteiligung Vattenfall sowie einige Einzelaktionärskommunen. Diese Gesellschaftsstruktur soll vereinfacht werden.
Dazu ist geplant, die ENSO Erdgas GmbH und die Holding auf die ENSO Strom AG zu verschmelzen. Ebenfalls miteinander verschmolzen werden sollen die beiden Netzgesellschaften. Im Ergebnis besteht dann nur noch die ENSO Strom AG mit nur noch einer Netzgesellschaft. Die ENSO Strom AG wird dabei umfirmieren in "ENSO AG".
Wenn dies geschehen ist, werden an der ENSO AG die GESO als Mehrheitsaktionärin mit 50,11%, die KBO mit 13,126%, der Zweckverband mit 14,052% und Vattenfall mit 21,281% beteiligt sein. Der restliche Anteil in Höhe von 1,431% entfällt auf die Einzelaktionärskommunen. Einige dieser Kommunen haben zwischenzeitlich erklärt, der KBO beitreten zu wollen. Insofern wird sich der Anteil der Einzelaktionäre zugunsten der KBO bis zur Verschmelzung noch verringern. - Gründe
Die Fusion führt zu einer deutlichen Verschlankung der Organisation und zu Einspareffekten. Dem von der ENSO-Geschäftsleitung aufgestellten Business Plan zufolge belaufen sich diese Effekte jährlich auf eine Summe von ca. 10 Mio Euro. Sie resultieren im Wesentlichen aus der Zusammenführung des Personals in künftig nur noch einem Unternehmen und aus der Vermeidung von Reibungsverlusten, die in der gegenwärtigen Struktur auftreten, sowie in der Reduzierung von Sachkosten.
Der Business Plan liegt dieser Vorlage an als Anlage 1. - Die Rechtsform "Aktiengesellschaft"
Die Rechtsform der AG ist sinnvoll. Bei einem Unternehmen dieser Größe ist die Aktiengesellschaft die organisationsrechtliche Grundvoraussetzung dafür, im Markt der Energieversorger als gleichberechtigter "Player" anerkannt und akzeptiert zu werden. Außerdem war die Stromgesellschaft immer schon als AG verfasst. Aus steuerlichen Gründen ist die Verschmelzung der anderen Gesellschaften auf die Stromgesellschaft geboten. Es gibt keinen Grund, deren Rechtsform nunmehr zu ändern.
Die AG ist kommunalrechtlich unbedenklich. Die Mitgliedschaften der Kommunen in der KBO und die Beteiligung der KBO an der ENSO sind als Finanzbeteiligung einzustufen. Damit geht es nicht um die "Führung oder Beteiligung an einem Unternehmen" im Sinne der §§ 95 ff. SächsGemO, und damit stellt sich die Frage der Zulässigkeit der Aktiengesellschaft für die KBO nicht. Für den Zweckverband ist derzeit noch offen, ob es sich ebenfalls um eine Finanzbeteiligung oder um eine wirtschaftliche Betätigung handelt. Liegt eine wirtschaftliche Betätigung vor, ist die Beteiligung an der ENSO AG genehmigungspflichtig..Das Regierungspräsidium hat bereits mitgeteilt, dass es diese Genehmigung erteilen wird.
Das Schreiben des Regierungspräsidiums Dresden, in dem dies für die KBO bestätigt wird, liegt an als Anlage 2. - Vorteile für die Kommunen
Ebenso wie die privaten profitieren die kommunalen Gesellschafter von den Synergieeffekten. Die Dividendenausschüttungen werden höher sein als ohne die Fusion. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Ausschüttungen wegen des bekannten Preisdrucks auf dem Energiemarkt und den regulatorischen Eingriffen in den kommenden Jahren nicht mehr die Höhe der Vorjahre erreichen werden. Ohne die Fusion aber würden die künftigen Ausschüttungen tendenziell noch niedriger ausfallen.
Es gibt weitere Vorteile, die im Zuge der Verhandlungen mit GESO und Vattenfall ausgehandelt werden konnten:- Für die Jahre 2009 bis 2012 ist jeweils die Ausschüttung einer Mindestdividende in Höhe von 25,76 Euro je Aktie vereinbart, so dass die Kommunen für diesen Zeitraum eine gewisse Planungssicherheit haben;
- KBO und Zweckverband werden in dem Aufsichtsrat der ENSO AG in einer solchen Stärke vertreten sein, dass die effektive Wahrnehmung der kommunalen Interessen in dem Unternehmen gesichert ist;
- KBO und der Zweckverband verfügen nach der Fusion gemeinsam über mehr als 27% der Stimmen. Damit haben sie eine Sperrminorität, d.h. sie können Satzungsänderungen jeglicher Art verhindern, wenn sie diese nicht für sinnvoll halten. Ausgehandelt werden konnte, dass KBO und Zweckverband jeweils für sich allein dieses Recht hat, obwohl sie bzw. er selbst nicht über die gesetzlich vorgesehene Stimmenzahl von 25% verfügt;
- Künftig wird nicht nur die KBO, sondern auch der ZVEO Inhaber einer sog. Put-Option sein, die es jederzeit ermöglicht, die Aktien an der künftigen ENSO AG der Mehrheitsaktionärin GESO zum Verkehrswert anzudienen.
Die Entwürfe der künftigen Satzung der ENSO AG, der Geschäftsordnung für den Vorstand, des Konsortialvertrages zwischen GESO, KBO, Zweckyerband und Vattenfall sowie der Put-Options-Vertrag, liegen als Anlagekonvolut 3 bei der Wirtschaftsreferentin zur Einsicht vor. Sie sind endverhandelt. Zu beachten ist, dass sich in redaktioneller Hinsicht (s. etwa den Wortlaut der Präambel, der auf einen datumsmäßig noch nicht feststehenden Beurkundungstermin Bezug nimmt) noch Änderungen ergeben können. - Keine Änderung in Wert und Stimmrechtsmacht
Durch die Verschmelzung ändert sich sachlich für die Kommunen nichts. Durch die Beauftragung eines renommierten Wirtschaftsprüfungsunternehmens (BDO Deutsche Warentreuhand) und durch die gesetzlich vorgesehene Verschmelzungsprüfung ist sichergestellt, dass die Fusion nicht zu einer Veränderung des Wertes der kommunalen Beteiligung führt. Demzufolge bleiben auch die kommunale Stimmrechtsmacht und das Recht auf Dividendenbezug erhalten. - Gewährleistungsregelung in dem Verschmelzungsvertrag
Der Verschmelzungsvertrag, der einem üblichen standardisierten Vertragsmuster entspricht, wird eine Gewährleistungsregelung enthalten, die nachträglich zu einer Zahlungspflicht von GESO, KBO und ZVEO zugunsten von Vattenfall führen kann. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Vattenfall als gegenwärtiger reiner "Stromgesellschafter" für die Risiken in der ENSO Erdgas aus der Vergangenheit nicht verantwortlich zeichnet. Dies betrifft insbesondere das Risiko, aus der augrund vertraglicher Preisanpassungsklausel vorgenommenen Gaspreisanpassungen. Dazu ist eine Klage von Verbrauchern anhängig, über die voraussichtlich im Jahre 2008 der BGH entscheiden wird. Aufgrund zwischenzeitlich ergangener Entscheidungen in vergleichbaren Fällen ist die Geschäftsführung der ENSO Erdgas GmbH optimistisch, dass der BGH auch diesen Rechtsstreit im Sinne des Unternehmens entscheiden wird. Diese Einschätzung teilt Vattenfall, gleichwohl möchte sich Vattenfall an diesem Risiko wirtschaftlich nicht beteiligen.
Bei der Bewertung der Unternehmen ist dieses Risiko nicht zulasten der Beteiligung von Vattenfall berücksichtigt worden. Die Gewährleistungsregelung sieht daher vor, dass Vattenfall im Falle des Risikoeintritts so zu stellen ist, wie sie stehen würde, wenn das Risiko in die Unternehmensbewertung eingeflossen wäre. Für diesen Fall will Vattenfall aber keine weiteren Aktien von ihren Mitgesellschaftern, sondern einen Ausgleich in Geld. Dies ist Gegenstand der Gewährleistungsregelung. Eine solche Regelung ist bei Verschmelzungsvorgängen üblich.
Die Eckpunkte dieser Regelung lauten:- Realisiert sich das Risiko, müssen die Mitgesellschafter GESO, KBO und ZVEO entsprechend ihrer Beteiligungsquote an Vattenfall eine Zahlung leisten, die jedoch der Höhe nach auf insgesamt Euro 8 Millionen begrenzt ist (Deckelung);
- die Aktionäre KBO und ZVEO sind grundsätzlich berechtigt, diese Zahlungen aus dem Dividendenaufkommen der ENSO AG zu leisten, und nur für den (theoretischen) Fall, dass die Dividenden aus der AG für eine Erfüllung der Ansprüche in zumutbarer Zeit nicht ausreichen, besteht eine unmittelbare Zahlungspflicht von KBO und ZVEO;
- ein Anspruch Vattenfalls gegen die Mitglieder des ZVEO persönlich oder ein Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung auf einen etwaigen Anspruch des ZVEO auf Zahlung einer Umlage gegen die Verbandsmitglieder ist vertraglich ausgeschlossen (bei der KBO besteht insoweit kein Regelungsbedarf, weil ein Gesellschafter nicht für die Verbindlichkeiten einer GmbH in Anspruch genommen werden kann);
- Ansprüche Vattenfalls unterliegen einer zeitlichen Begrenzung von voraussichtlich höchstens drei Jahren.
Innerhalb dieser Eckpunkte bewegen sich die derzeitigen Verhandlungen über eine endgültige Fassung der Gewährleistungsregelung. Verschärfungen zulasten von KBO und ZVEO wird es nicht geben. - Ratsbeschluss
Damit KBO und Zweckverband der ENSO-Fusion zustimmen können, bedarf es eines entsprechenden Gesellschafter- bzw. Verbandsbeschlusses. Damit der Bürgermeister als Gesellschaftsvertreter in diesem Sinne abstimmen kann, ist ein Ratsbeschluss erforderlich, der ihn dazu ermächtigt. - Keine aufsichtsbehördliche Genehmigung
Da es sich, wie vorstehend ausgeführt, bei der Beteiligung der Stadt/Gemeinde an der KBO aus Sicht der Kommunen um eine Finanzbeteiligung handelt, bedarf der Ratsbeschluss keiner aufsichtsbehördlichen Genehmigung.
Keiner Genehmigung bedarf auch der Ratsbeschluss der Mitglieder des Zweckverbandes. Genehmigungsbedürftig ist lediglich der Beschluss der Zweckverbandsversammlung als solcher.
- Die Wertpapierleihe (Beschluss 2)
- Zusammenführung der Beteiligungsunternehmen
Nach Durchführung der Verschmelzung werden KBO und Zweckverband zusammengeführt. Nach derzeitiger Beschlusslage in dem Aufsichtsrat der KBO und dem Verwaltungsrat des Zweckverbandes soll dies - vorbehaltlich der Zustimmung der Gesellschafter- bzw. Mitgliedskommunen - wie folgt geschehen: Zunächst wird der der Zweckverband der KBO beitreten, indem er im Wege einer Kapitalerhöhung einen Geschäftsanteil an der KBO erwirbt und seine Aktien an der ENSO AG auf die KBO überträgt. Anschließend wird der Zweckverband aufgelöst. Im Zuge der Auflösung wird dessen Geschäftsanteil an der KBO auf die Mitgliedskommunen übertragen. Schon mit Eintritt des ZVEO wird das Stimmrecht der Mitgliedskommunen so weit erhöht (und das Stimmrecht des ZVEO entsprechend abgesenkt), als ob ihnen der auf sie entfallende (Teil-) Geschäftsanteil bereits übertragen worden wäre.
Der Vorgang soll Ende 2008 abgeschlossen sein. Die Einzelheiten befinden sich derzeit in der Prüfung. - Zwischenzeitlicher Handlungsbedarf
Bis dahin besteht Handlungsbedarf, weil die KBO nach der Fusion - anders als gegenwärtig an der ENSO GmbH - mit weniger als 15% an der ENSO AG beteiligt sein wird. Damit würde die KBO das sog. gewerbesteuerliche Schachtelprivileg verlieren. Das würde bedeuten, dass die Dividenden aus der künftigen ENSO AG voll der Gewerbebesteuerung unterliegen. Dieser Nachteil beläuft sich pro Jahr auf ca. 1,3 Mio. Euro.
Das wird vermieden durch eine sog. Wertpapierleihe zwischen Zweckverband und KBO: Der Zweckverband "leiht" der KBO so viele Aktien, wie sie benötigt, um den Schwellenwert von 15% zu erreichen und in den Genuss des Schachtelprivilegs zu kommen. Der Zweckverband hat dadurch keinen Nachteil. Für die Leihe erhält er ein Entgelt, das der Höhe nach der Dividende entspricht, die er unmittelbar bekommen würde, wenn er die Aktien nicht "verliehen" hätte.
Die Finanzverwaltung hat die steuerliche Zulässigkeit dieses Modells für die KBO inzwischen bestätigt, da der Vertrag nicht nur rein steuerliche Hintergründe hat, sondern mit seinen Regelungen über die Besetzung des Aufsichtsrates der ENSO AG auch der Vorbereitung des künftigen Zusammenschlusses dient. Für den Zweckverband liegt diese Bestätigung ebenfalls vor.
Der von der Gesellschafterversammlung der KBO und der Zweckverbandsversammlung beschlossene Vertrag liegt als Anlage 4 bei der Wirtschaftsreferentin zur Einsicht vor. - Praktische Relevanz angesichts des beabsichtigten Zusammenschlusses
Bei Umsetzung des Modells wird die Wertpapierleihe praktisch nicht relevant werden. Denn wenn im Jahre 2008 ohnehin durch den Zusammenschluss der beiden kommunalen Anteileigner sämtliche Aktien auf die KBO übertragen werden, hat die neue gemeinsame KBO die 15%-Grenze auf jeden Fall überschritten. Der Vertrag wird im Grunde nur rein vorsorglich für den Fall geschlossen, dass es wider Erwarten aus derzeit nicht ersichtlichen Gründen im Jahre 2008 noch nicht zu einer vollständigen Realisierung des Vorhabens kommen sollte. Er muss aber auch geschlossen werden, weil die KBO der - zeitlich früher liegenden - ENSOFusion nicht zustimmen könnte, solange sie nicht sicher sein kann, dass das Gewerbesteuerrisiko erledigt ist. - Ratsbeschluss, keine aufsichtsbehördliche Genehmigung
Für das Votum des Bürgermeisters in der Gesellschafterversammlung der KBO und in der Verbandsversammlung des Zweckverbands ist ein Ratsbeschluss erforderlich. Einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedarf es nicht. Auf das Schreiben des Regierungspräsidiums Dresden - Anlage 2 - wird verwiesen.