Anordnung des Landratsamtes Kamenz vom 23.01.1998
Der Stadtrat der Stadt Radeberg nimmt die Anordnung des Landratsamtes Kamenz vom 23.01.1998 zur Untersagung straßenverkehrslicher Anordnungen durch die Stadt Radeberg (Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Anwohner) zur Kenntnis. Der Stadtrat mißbilligt die Anordnung und stellt die Frage, ob hier das durch Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz und Artikel 82 Abs. 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen geregelte Recht auf kommunale Selbstverwaltung in unzulässiger Weise berührt wird. Der Stadtrat beauftragt den Bürgermeister mit der Klärung der Rechtslage sowie mit der Einleitung der Erforderlichen rechtlichen Schritte zur Wahrung der Rechte der Stadt Radeberg.
Mit Schreiben vom 20.01.1998 verwies das Landratsamt Kamenz auf die seiner Auffassung nach gegebene Zuständigkeit zur Erteilung und Ausstellung von Sonderparkberechtigungen für Anwohner und wies daraufhin, daß es sich aus ihrer Sicht um eine ausschließliche Zuständigkeit des Landratsamtes handelt, bei der eine Übertragung weder zulässig noch je erfolgt sei.
In einem anschließenden Gespräch mit dem zuständigen Justitiar des Landratsamtes, Herrn Roller, erläuterte der Bürgermeister der Stadt Radeberg, Herr Lemm, daß ein entsprechender Aufgabenentzug aus seiner Sicht weder rechtlich erforderlich noch verwaltungsorganisatorisch sinnvoll erscheint. Es wurde darauf verwiesen, daß das vorgenannte Schreiben vom 20.01.1998 als Information entgegengenommen wird, aus dem keine unmittelbaren Handlungserfordernisse für die Stadt Radeberg zu folgern sind. Daraufhin erließ das Landratsamt Kamenz mit Schreiben vom 23.01.1998 die entsprechende Untersagungsverfügung.
In der Praxis werden die sogenannten Anwohnerparkscheine seit Bestehen der bundesgesetzlichen Regelungen durch die Stadt Radeberg ausgestellt. Dieses Verfahren war mit dem Landratsamt Dresden abgestimmt und hat sich seit Jahren bewährt. Auch das Landratsamt Kamenz hat über mehrere Jahre diese Verfahrensweise akzeptiert und keinerlei Beanstandungsgrund gesehen. Von daher erscheint verwaltungsseitig der jetzige Vorstoß unverständlich.
Die Rechtslage der Zuständigkeit ist unklar. Die gesetzlichen Regelungen normieren eine Zuständigkeit der "Straßenverkehrsbehörde". Was eine Straßenverkehrsbehörde ist, liegt im Regelungsbereich des Landesgesetzgebers. Dieser hat jedoch verabsäumt, diese Frage z.B. in einem Ausführungsgesetz zum Straßengesetz, in einem Sächs. Straßengesetz oder in einem Verwaltungsorganisationsgesetz zu regeln. Von daher verbleibt es nach verwaltungsseitiger Rechtsauffassung bei der Allzuständigkeit der Gemeinde im Sinne von Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz.
Darüber hinaus ist zu Fragen, ob der Gesetzgeber überhaupt befugt ist, eine entsprechende Verlagerung der Aufgabenzuständigkeit im Wege der Hochzonung auf die Landratsämter hervorzunehmen. In seinem vielbeachteten "Rastede Urteil" vom 23.11.1988 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß der Gesetzgeber den Gemeinden Aufgaben mit relevantem örtlichem Charakter nur aus Gründen des Allgemeininteresses, vor allem etwa dann entziehen darf, wenn anders die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht sichergestellt werde. Das Bundesverfassungsgericht führt aus, das Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes auch außerhalb des Kernbereiches der Garantie ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden darstellt, welches auch zugunsten kreisangehöriger Gemeinden gegenüber den Kreisen gilt.
Verwaltungsseitig wird eingeschätzt, daß es sich bei der Ausstellung von Anwohnerparkscheinen um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt. Von daher greift die Zuständigkeitsvermutung der Gemeinde im Rahmen ihrer Allzuständigkeit. Auch wenn eine Aufgabenregelung des Gesetzgebers unterstellt würde, könnte ein solcher nach diesseitiger Auffassung wegen Eingriffs in den Schutzbereich des Artikels 28 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Rechtswirkung entfalten.