Satzung zur Erhöhung der Gewerbesteuer von 310 v.H. um 40 v.H. auf 350 v.H.
Der Stadtrat der Stadt Radeberg beschließt die Satzung zur Erhöhung des Hebesatzes der Gewerbesteuer von 310 v.H. um 40 v.H. auf 350 v.H. für das Haushaltsjahr 1996.
§ 1 Der Hebesatz der Gewerbesteuer wird für das Jahr 1996 auf 350 v.H. festgelegt.
§ 2 Der Hebesatz der Gewerbesteuer im Ortsteil Liegau-Augustusbad bleibt gemäß § 8 der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die Eingliederung der Gemeinde Liegau- Augustusbad in die Stadt Radeberg vom 27.01.1995 in Höhe von 380 v.H. erhalten.
§ 3 Die Erhöhung tritt rückwirkend ab 01.01.1996 in Kraft.
An alle Mitglieder des Stadtrates von Radeberg
Sehr geehrte Damen und Herren,
in seiner Sitzung am 29.05.1996 hat der Stadtrat von Radeberg mit Beschluß Nr. 64/96 beschlossen, den Gewerbesteuerhebesatz nicht auf 350,-- v. H. zu erhöhen. Gegen diesen Beschluß erhebe ich gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative, der SächsGemO Widerspruch. Entsprechend § 52 Abs. 2 Satz 4 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO) berufe ich hiermit eine Sondersitzung des Stadtrates ein für Mittwoch, den 12. Juni 1996 um 17.30 Uhr im Ratssaal der Stadt Radeberg. Die Festsetzung des Gewerbesteuerhebesatzes wird Beratungsgegenstand dieser Sondersitzung sein.
Der Beschluß Nummer 64/96 wird von mir in hohem Maße für die Stadt Radeberg für nachteilig erachtet. Da es in diesem Falle zu den Organrechten des Bürgermeisters gehört, dem Beschluß den Widerspruch zu erklären, war diese Entscheidung von mir nach pflichtgemäßen Ermessen zu treffen.
Der gemäß § 76 Abs. 1 der SächsGemO öffentlich ausgelegte Entwurf der Haushaltssatzung geht von Einnahmen auf der Basis des Gewerbesteuerhebesatzes von 350,-- DM v. H. aus. Dennoch ergibt sich ein Kreditbedarf in Höhe von 3.400.000,00 DM. Der vorgelegte Haushaltsplan ist darüber hinaus unter Nutzung weitgehender Einsparungspotentiale erarbeitet worden. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, daß der vorgelegte Haushaltsplan, trotz der bisher bereits vorgenommenen radikalen Einschnitte und der inzwischen allgemein eingetretenen Kostensteigerung, nicht nur das Vorjahresergebnis halten kann, sondern sogar abermals eine Verringerung der Verwaltungskosten von mehr als 300.000,-- DM vorsieht.
Die Nichtausschöpfung der Einnahmeposition Gewerbesteuer verringert die Einnahmen im Verwaltungshaushalt um 632.000,-- DM. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß unsere Eigenmittel zur Erlangung der im Haushalt vorgesehen Fördermittel erforderlich sind, ergibt sich bei Beachtung der unterschiedlichen Fördersätze hierdurch ein Fehlbetrag, der bei ca. 1,2 bis 1,5 Mio. DM liegt.
Da bei der Haushaltsplanerstellung bereits bis an die Schmerzgrenze das Gebot der Sparsamkeit beachtet wurde und die meisten Leistungen der Stadt Radeberg gesetzlich oder vertraglich gebunden sind, ergibt sich ein mögliches Einsparpotential im wesentlichen nur bei den freiwilligen Aufgaben. Von diesen führt die Stadt Radeberg zur Zeit das Schwimmbad, die Stadtbibliothek mit Außenstelle Liegau-Augustusbad, die Stadtsanierung sowie Zuschüsse an Freie Träger durch. Ein Stop der bauseitigen Investitionen würde auf Grund der Tatsache, daß es sich hierbei im wesentlichen um Folgeinvestitionen handelt, zu einer erheblichen Verschleuderung von Steuermitteln führen, darüber hinaus ist er rein gesetzlich in vielen Fällen im Bereich der Pflichtaufgaben oder wegen vertraglicher Verpflichtungen nicht möglich.
Die notwendig werdenden Einsparungen bei Beibehaltung des Beschlusses 64/96 würden also entweder das im Zuge der Finanzknappheit ohnehin geringe städtische Leistungsangebot an seine Bürger in unzumutbarer Weise weiter verringern, oder die marode Infrastruktur im Bereich der Ver- und Entsorgung sowie im Bereich Straßen-, Wege-, Plätze- und Gebäudesanierung weiter verschärfen. Dringlichst notwendige Maßnahmen in diesen Bereich, wie Abwasserentsorgung Liegau-Augustusbad, notwendige städtische Leistungen, wie die Sanierung der maroden Badstraße oder der dringend erforderliche Ausbau der Richard-Wagner-Straße, um wenigsten teilweise eine Verkehrsentlastung zu erreichen, sowie endliche andere Maßnahmen, insbesondere im Sanierungsbereich, würden auf das Äußerste gefährdet.
Eine Erhöhung des Kreditvolumens zur Vermeidung der vorgenannten Nachteile kommt schon deswegen nicht in Betracht, da wir bereits mit der bisherigen Gesamtverschuldung der Stadt hart an der Grenze der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stehen und bereits jetzt allein an Zinsen für seit 1990 aufgenommene Kredite jährlich über 2 Mio. DM zu zahlen haben. Die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Inneren über die kommunale Finanzplanung 1996 bis 1999 sowie über die Haushaltsund Wirtschaftsführung im Jahre 1996 vom 15. November 1995 führt hierzu aus: "Mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage und die finanziellen Rahmenbedingungen werden die Kommunen aufgefordert, die Aufnahme weiterer Kredite auf den unbedingt notwendigen Bedarf zu beschränken. Die Rechtsaufsichtsbehörden sind aufgerufen, bei der Genehmigung von Krediten restriktiv zu verfahren, wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommune gefährdet ist. Eine besondere Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Genehmigung von Kreditaufnahmen ist geboten, wenn die Verschuldungsgrenze von etwa 2.000,-- DM/Einwohner erreicht ist."
Der letztgenannte Fall ist in Radeberg gegeben. Der bereits bei maßvoller Ausschöpfung der Einnahmemöglichkeit Gewerbesteuer vorgesehene Schuldenstand der Pro-Kopf-Verschuldung liegt mit Stand 31.12.1996 bei 2.358,35 DM. Wenn es damit auch gelungen ist, die Pro-Kopf-Verschuldung ca. auf den Stand von 1991 zurückzuführen, so wird dennoch deutlich, daß die finanzielle Leistungsfähigkeit soweit gefährdet ist, daß eine weitergehende Kreditaufnahme nicht nur unzweckmäßig, sondern bereits rechtsauf sichtlich nicht genehmigungsfähig wäre.
Die planseitig vorgesehene Festsetzung des Gewerbesteuerhebesatzes auf 350,-- DM v. H. ist zudem eine ausgesprochene modorate, sie liegt noch unterhalb der in vorgenannter Vorschrift des Sächsischen Staatsministerium des Inneren geforderten Größe, in der es heißt: "Es wird dringend empfohlen, Hebesätze der Gewerbesteuer unter 360,-- DM v. H. zu überprüfen und gegebenenfalls zu erhöhen. Dabei sollte auf Grund der Beschränkung der Gewerbeertragssteuer in den neuen Bundesländern die Auswirkung der Gewerbesteuerhebesätze auf die Gewerbeförderung nicht überbewertet werden."
Der letztgenannten Aussage des Sächsischen Staatsministeriums des Innern ist zu folgen, insbesondere unter Beachtung der konkreten Situation in der Stadt Radeberg. Von 864 in Radeberg, einschließlich Ortsteil Liegau-Augustusbad angemeldeten Gewerbetreibenden sind derzeit 103 als Gewerbesteuerzahler veranlagt, dies entspricht einem Prozentsatz von ca. 12%. ( Bereits hieraus ist ersichtlich, daß 88% der Radeberger Gewerbetreibenden keine Gewerbesteuer bezahlen. Von dem Gesamtgewerbesteueraufkommen, das von diesen 12% für 1996 erwartet wird, entfallen wiederum 73 % der Einnahmen auf insgesamt 8 Betriebe, die restlichen 27 % des Volumen verteilen sich auf die verbleibenden 95. Darüber hinaus liegt der vorgesehene Gewerbesteuerhebesatz am unteren Ende der durchschnittlichen Skala. Von den ohne Radeberg 41 Mitgliedsstädten des Deutschen Städtetages in Sachsen gibt es nur 2 Mitgliedsstädte, die den vorgesehenen Wert unterschreiten, nämlich die Städte Brand-Erbisdorf und Falkenstein/Vogtland. Alle anderen Städte in Sachsen liegen entweder bei 350,- v. H. oder darüber, der Durchschnittssatz liegt bei 376,- v. H.
Auch bei Betrachtung des konkreten Radeberger Umfeldes zeigt sich, daß der vorgesehene Gewerbesteuerhebesatz am unteren Ende der Skala liegt, einzig Ottendorf-Okrilla liegt, unter Beachtung der besonderen Verhältnisse dieser Gemeinde, darunter, ansonsten stellt sich die Situation im Radeberger Umland wie folgt dar: Arnsdorf 400, Wallroda 400, Wachau 380, Langebrück 380, Kamenz 380, Pulsnitz 360, Großerkmannsdorf 360, Großröhrsdorf 350, Weixdorf 350, Ullersdorf 350. Auch an diesen Zahlen ist zu ersehen, daß der vorgesehene Gewerbesteuerhebesatz von 350,- v. H. als ausgesprochen maßvoll zu betrachten ist.
Weiterhin ist in Betracht zu ziehen, daß für den Ortsteil Liegau-Augustusbad gemäß § 8 der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über die Eingliederung der Gemeinde Liegau-Augustusbad in die Stadt Radeberg bereits ein Gewerbesteuerhebesatz von 380 v.H. gilt. In der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung wurde festgelegt, daß die Hebesätze der Realsteuern im Ortsteil Liegau-Augustusbad bis 1997 unverändert bleiben müssen. Da der damalige Gemeinderat von Liegau-Augustusbad bereits im Jahre 1994 einen Gewerbesteuerhebesatz von 380 v. H. festgesetzt hat, ist dieser auf Grund geltenden Rechtes für Liegau-Augustusbad bis 1997 verbindlich. Eine wie vorgeschlagene moderate Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes für den übrigen Bereich der Stadt Radeberg würde zudem also auch für mehr Steuergerechtigkeit in der Gesamtstadt führen.
Weiterhin ist darauf aufmerksam zu machen, daß nicht nur auf Grund der Tatsache, daß keine Eigenmittel bereitgestellt werden können, ein Fördermittelverlust droht. Auch insgesamt ist die Bewilligung von Fördermitteln bei Nichtausschöpfung der zumutbaren Einnahmequellen, insbesondere der von der Staatsregierung vorgeschlagenen Hebesätze, im Antragsverfahren inhaltlich gefährdet.
Die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen über das Antrags- und Bewilligungsverfahren sowie die Verteilung und Verwendung der Mittel für Bedarfszuweisung nach dem Finanzausgleichsgesetz 1996 vom 25. Januar 1996, veröffentlicht im Amtsblatt des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom 28.2.1996, schließt unter I.2a. die Gewährung einer Bedarfszuweisung für den Fall der Nichtausschöpfung der Einnahmequellen aus. In der Anlage 1 dieses Schreibens übersende ich Ihnen eine Kopie des im Amtsblatt abgedruckten Antragsmusters in dem Sie ersehen können, daß bei der Beantragung einer Bedarfszuweisung jeweils die Realsteuerhebesätze abgefragt werden. Auch die Erlangung anderer Fördermittel, gleichgültig aus welchem Fördertopf, wird gefährdet, da bei jedweder Zuwendung die Ausschöpfung der zumutbaren Einnahmequellen ein entscheidendes Kriterium darstellt. Als Anlage 2 übersende ich Ihnen einen Auszug aus dem in Sachsen für jedwede Zuwendung zu verwendenden Fördermittelantragsformulars, aus dem Sie ersehen können, daß auch hier generell die Gewerbesteuerhebesätze abgefragt werden und zur Entscheidungsfindung herangezogen werden.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß bei Beibehaltung des Beschlusses 64/96 die städtischen Dienstleistungen eingeschränkt werden müssen, die städtischen Bauleistungen, insbesondere im Infrastrukturbereich sowie die Stadtsanierung reduziert werden müssen und die Erlangung von Fördermitteln teilweise unmöglich gemacht, teilweise erheblich gefährdet wird. Dies alles, um im wesentlichen 8 Betriebe vor einer maßvollen Erhöhung der Gewerbesteuer zu bewahren, die auf Grund der Entscheidung des Gesetzgebers, die Gewerbesteuer auf die Gewerbeertragssteuer zu reduzieren, ohnehin in erheblichen Umfang entlastet werden. Aus den vorgenannten Gründen halte ich den Beschluß 64/96 für nachteilig für die Stadt Radeberg und ihre Bürger.
Gerhard Lemm Bürgermeister