Neufassung des Aufstellungsbeschlusses des Stadtrates zur Aufstellung eines Bebauungsplanes Nr. 32 der Stadt Radeberg für die Flurstücke Nr. 1423/2 uns 1423/3 (ehem. Eisenhammer Dölzschen)
Widerspruch des Bürgermeisters vom 30.01.2001
Sehr geehrte Damen und Herren,
in seiner Sitzung am 24.01.2001 hat der Stadtrat unter der Drucksachen Nr.: 10/01 (Beschluss Nr. 05/01) auf Antrag der B+D Immobilienverwaltung GbR Dresden die Aufstellung eines Bebauungsplanes Nr. 32 für die Flurstücke 1423/2 und 1423/3 beschlossen. Hierbei soll als Planungsziel die Schaffung eines Einkaufszentrums mit einer Verkaufsflächenbegrenzung auf 2500 m² und kooperierender Dienstleistung definiert werden. Gemäß § 52 Abs. 2, Alternative 2 SächsGemO mache ich von meinem Recht Gebrauch dem oben genannten Beschluss des Stadtrates zu widersprechen. Gleichzeitig lade ich Sie hiermit zu einer Sondersitzung für Dienstag, den 13.Februar 2001 um 18.00 Uhr in den Ratssaal der Stadt Radeberg ein. Auf dieser Sondersitzung wird erneut über den oben genannten Beschluss verhandelt.
Ich halte den vorgenannten Beschluss für in erheblichem Umfang problematisch und gehe davon aus, dass er für die Entwicklung der Stadt Radeberg nachteilig ist. Die Größe der vorgesehenen Handelseinrichtung zählt als "grossflächige Handelseinrichtung" im Sinne vom § 11 Abs. 3 BauNVO. Grossflächigkeit beginnt, wo üblicherweise die Größe der der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetriebe ihre Obergrenze findet. Diese Grenze liegt unabhängig von regionalen und örtlichen Verhältnissen bei einem Schwellenwert von 700 m² Verkaufsfläche (Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.1987). Die Größenordnung des hier vorgesehenen Einkaufszentrums liegt (ohne kooperierende Dientsleistungen) bei mehr als dem Dreifachen dieser Regelung. Ein Einkaufszentrum dieser Größe hätte erheblichen Einfluss auf den bereits bestehenden Handel in der Stadt Radeberg. Es besteht die Gefahr, dass die Versorgungssituation damit langfristig gefährdet wird und zwar für weite Teile der Bevölkerung. Insbesondere sieht der Unterzeichner und Widerspruchsführer die Gefahr, dass getätigte private und öffentliche Investitionen zur Belebung der Radeberger Innenstadt in hohem Umfang gefährdet und ad absurdum geführt werden.
Der Handelsverband Sachsen e.V. hat inzwischen Stellung genommen und äußert sich u.a. wie folgt: "Wir müssen mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass solch eine beabsichtigte grossflächige Ansiedlung die Entwicklung, die Attraktivität und die Funktionalität der Innenstadt von Radeberg erheblich gefährden würde. Wir wissen alle, dass aus verschiedenen Gründen in den ersten Jahren nach der Wende sich eine unkontrollierte Ansiedlung in Richtung grossflächigen Einzelhandel außerhalb und am Rande der Städte entwickelte und heute große Kraftanstrengungen erforderlich sind, die Innenstädte mit ihren verschiedenen Funktionen und Gewerben am Leben zu erhalten... Die Stadt Radeberg liegt jetzt schon weit über dem Durchschnitt. Im Interesse einer geordneten und harmonischen Entwicklung von Radeberg als Mittel-Zentrum ist eine weitere Ansiedlung von grossflächigem Einzelhandel in Form von Einkaufszentren als nicht verträglich einzuordnen. Dies würde unweigerlich dazu führen, dass sich der Leerstand von Ladenlokalen in der Stadt weiter erhöht und die Existenzen vieler kleiner innerstädtischer Einzelhändler bedroht werden." Der Stellungnahme des Handelsverbandes Sachsen ist im vollen Umfang zuzustimmen.
Die Argumentation, man wolle hier die Versorgungssituation im Bereich der Radeberger Südvorstadt verbessern, ist so nicht korrekt. Es werden (selbst im Falle einer reinen Verlagerung) Teile der Bevölkerung begünstigt und Teile der Bevölkerung benachteiligt. Eine reine Verlagerung des Unternehmens Lidl an dem vorgenannten Standort wäre jedoch grundsätzlich denkbar, wie der Unterzeichner dem Antragsteller mit Schreiben vom 26.06.2000 (das Schreiben lag allen Stadträten vor) bereits mitgeteilt hat. Eine Verbesserung der Einkaufssituation würde sich für die Bewohner der Heinrich-Gläser-Straße, der Theodor-Körner-Straße sowie des Eigenheimweges ergeben, hier wohnen insgesamt 137 Personen. Eine Verbesserung würde sich weiterhin ergeben für die Bewohner der Elsa-Fenske-Straße, der Forststraße, der Waldstraße sowie ca. 2/3 der Heidestraße. Dort wohnen 1386 Personen. Hier würde sich der Abstand zur jetzigen Versorgungseinrichtung von derzeit ca. 1500 m auf 600 m verbessern. Als Versorgungseinrichtung für diesen Bereich steht das Unternehmen Konsum zur Verfügung. Für den Bereich der Schönfelder Straße, Lessingstraße, Goethestraße, GüterbahnhofStraße, "Insel", ca 1/3 der Heidestraße sowie ca. der Hälfte der Schillerstraße, in diesem Bereich wohnen 1539 Menschen, würde sich die Versorgungssituation nicht durchgreifend verändern. Ebenfalls nur unwesentlich verändern würde sich die Versorgungssituation für die Bewohner am Dammweg, Fröbelweg, Flügelweg, Garchinger Straße, Neckargmünder Straße, Schwabacher Allee, Schwalbacher Straße, Oberkircher Ring, Richard- Wagner-Straße, Pillnitzer Straße. In diesem Bereich wohnen 1671 Menschen, hier ist zur Zeit als Versorgungseinrichtung das Unternehmen Netto vorhanden. Verschlechtern würde sich die Versorgungssituation für die Bewohner der Ferdinand-Freiligrath-Straße, Georg-Büchner-Straße, Dr.-Friedrich-Wolf-Straße, Juri-Gagarin-Straße, Robert-Blum-Weg, Robert-Bosch-Straße, Balthasar-Thieme-Straße, Galileiweg, Neil-Armstrong-Straße sowie ca. der Hälfte der Schillerstraße, in diesem Bereich wohnen 2141 Menschen. Hier würde sich der Abstand zur Versorgungseinrichtung von derzeit 700 m auf 1500 m verändern. An diesen Daten wird deutlich, dass von einer Verbesserung der Versorgungssituation für die Bevölkerung durch das vorgesehene Einkaufszentrum in Summe nicht gesprochen werden kann. Die Bemühungen, die ehemalige Netto-Kaufhalle an der Schillerstraße wieder zu aktivieren, würden durch den Beschluss endgültig zum Scheitern gebracht. Das gleiche gilt für den Erhalt und die Verbesserung der Versorgungssituation in den Radeberger Ortsteilen Großerkmannsdorf, Ullersdorf und Liegau-Augustusbad. Darüber hinaus ist die Begrenzung eines solchen Einkaufszentrums auf eine Verkaufsfläche von 2500 m² wirtschaftlich problematisch. Es besteht die nicht unerhebliche Gefahr, dass dieses neue Zentrum in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde und die Stadt Radeberg sich im Nachgang dem Druck ausgesetzt sieht, zur Sicherung möglicherweise getätigter Investitionen und verlagerter Arbeitsplätze weitere Zugeständnisse hinsichtlich der Verkausflache zu machen, was die Gefahrensituation (Pleiten und Leerstände im Fachhandel, Verödung der Innstadt) weiter verschärfen könnte. Der überproportional verschärfte Wettbewerb durch das Einkaufszentrum birgt darüber hinaus erhebliche Risiken, auch für bereits bestehende Einzelhandelseinrichtungen außerhalb der Innenstadt. Hier könnten weitere Versorgungsengpässe entstehen.
Die Reaktivierung von brachliegenden Gewerbeflächen kann nun einmal nicht ausschließlich durch Handel erreicht werden. Sinnvoll ist es vielmehr, bei angrenzender Nähe zu Wohngebieten wohnnutzungsverträgliche produktive Gewerbe zu nutzen, um hässliche Industriebrachen mit neuem Leben zu erfüllen. Es wäre unsinnig, hier durch kurzfristige Beschlüsse auf Dauer Möglichkeiten zu verbauen. Die Schaffung neuer Bausubstanzen, deren Bestand wirtschaftlich problematisch ist oder andere bestehende Einrichtungen wirtschaftlich gefährdet, würde zudem langfristig weitere Brachen entstehen lassen. Das städtebauliche Problem würde sich daher zeitverzögert nur verstärken. Aus den vorgenannten Gründen halte ich den Beschluss für schädlich und sehe mich daher gezwungen, ihm im Rahmen meiner gesetzlichen Möglichkeiten entgegen zu treten.